Liebe Leserin, lieber Leser rund um die Frankfurter Hauptwache, liebe Freundinnen, Freunde und Mitglieder der Sankt Katharinengemeinde!
Darf eine Frau ihr Haar zeigen? Muss sie Kopftuch tragen? Oder besteht Badekappen-Zwang? Darf die weibliche Brust in der Öffentlichkeit zu sehen sein? In vielen Schwimmbädern gibt es da immer mehr Freiheit und Gleichberechtigung: Badehauben und Oberteile sind nicht mehr Pflicht. Darf eine Politikerin im Parlament ihr Kind stillen? Entspricht das der Würde des Hohen Hauses? Erinnern wir uns: Der Allerhöchste, Gott selbst, Schöpfer von allem, was existiert, ist als ein kleiner Mensch zur Welt gekommen! So bekennt es das christliche Credo. „Das Wort ward Fleisch!“ (Johannesevangelium 1). Gott wird Mensch, von einer Frau geboren und genährt! Nackt, so, wie wir geboren werden und auch wieder die Welt verlassen werden: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“, heißt es im Volksmund. Nackt und bloß kam Jesus Christus zur Welt. So starb er auch am Kreuz. Nur mit einem Lendenschurz. Auch anstößig für einige. Der Blick auf den neugeborenen Nackedei ist ungewöhnlich. Denn: „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt!“, heißt es in der Geschichte von Jesu Geburt (Lukasevangelium 2) Wie das Stillen zeugen auch Windeln, zumal, wenn sie voll sind, von einer ganz direkten Menschlichkeit, von der krassen Körperlichkeit, von Notdurft, menschlicher Not. Manchmal werden nicht nur im Säuglingsalter Windeln getragen, sondern in Zeiten von Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Auch das gehört zum Menschsein dazu.
Aber wir haben die Zusage, dass der Gott der Bibel, der Liebe und Barmherzigkeit, zum Menschen geworden ist. Eingefleischt, ganz echt, inkarniert! Das Merkmal für Gottes Anwesenheit sollen sogar die Windeln sein. Diese Wickelbinden gegen Wunden, Not, Kot, Leid und Schmerzen sollen zum Erkennungszeichen werden, wo Gott zur Welt kommt. Für die Ärmsten, also die Schafhirten aus Bethlehem, aus der Weihnachtsgeschichte.
Auf dem Bild hier hält Maria Jesus aber ohne Windeln im Arm. Auch ihre Mutterbrust ist entblößt. Aber niemand ruft „Skandal!“ Es ist das Menschlichste von der Welt, was hier geschieht. Solche Bilder, wie dies hier vom reformatorisch gesonnenen Lucas Cranach, hingen in Kirchen, Spitälern und Andachtsräumen, keiner regte sich auf! Diese Bilder von der „Madonna lactans “, der milchgebenden Mutter Gottes rühren uns an, sie entwaffnen!
Das Bild der stillenden Maria strahlt eine tiefe Ruhe und Geborgenheit aus, Frieden! Der große, treusorgende Gott, der seinen umherirrenden Leuten ein Land versprochen hat, wo Milch und Honig fließt, wird hier ein Säugling, genährt von der Muttermilch, ganz klein, bedürftig, verletzlich. Im Hintergrund halten zwei kleine Engel ein dunkles Tuch hoch: Einerseits verleiht es Maria und dem Jesuskind eine besondere Würde, andererseits steigert es auch die Wirkung der Figuren. Steht das schwarze Tuch schon für die Finsternis der Welt und das Leiden Christi am schwärzesten Tag, dem Karfreitag? Auch wenn der irdische Jesus und seine Mutter nicht so hellhäutig gewesen sind, wie Cranach sie malte: Am lebhaftesten leuchten auf dem Bild der Pfirsichhaut-Säugling auf den Händen seiner Mutter und deren Gesicht und Brust! Der zarte, neugeborene, verletzliche Säugling ist geborgen, beschützt in den Armen Mariens! Jesus wird gestillt, also beruhig und genährt, als Maria ihn „sich zur Brust nimmt“, ganz ohne mahnenden Unterton. Wir sehen eine mütterliche „Madonna“, die einen winzigen Nackedei, ihr Kind, im Arm trägt!
Dieses zärtliche Bild zeigt, dass Gott da ist, Gottes Liebe! Ein neugeborenes Kind löst „weihnachtliche“ Freude aus: Der Retter ist da! Jesus hat in der Geschichte der Christenheit immer wieder neue Freiheiten gebracht: Befreiung von der Sklaverei, von Speisegeboten, Kleidervorschriften, abgrenzenden Bräuchen. Wie in jedem Neugeborenen, so scheint gerade im Jesuskind ein Hoffnungsschimmer auf:
„Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ So lautet der Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja Kapitel 60, Vers 1. Das ist der Monatsspruch für Dezember 2024.
In dieser Szene der Zuwendung zwischen Mutter und Kind dürfen wir Gottes Zukunft sehen! Das Heil für alle Menschen: Jesu Leben und Sich-Verschenken ist ein Lichtblick, wie wir schon an diesem Gotteskind erkennen können. Dieses Titelbild mit Mutter und Kind als Weihnachtsbild kann uns Hoffnung machen, dass unsere Sehnsucht gestillt wird: Der Wunsch nach Frieden, nach Lebensmöglichkeiten für alle Kreaturen, nach einer Natur im Einklang mit uns Menschen. Diese unstillbare Hoffnung trotz aller Dunkelheiten ist der Grund, warum wir Weihnachten feiern!
Ich wünsche Ihnen und euch eine gesegnete Adventszeit, ein frohes Christfest und ein gutes neues Jahr 2025 nach Christi Geburt, Ihr und Euer
Ludwig Schneider-Trotier, Pfarrer
Titelbild: Mutter Maria von Nazareth nimmt ihr Kind Jesus zum Stillen zur Brust. „Milchgebende Madonna“ von Lucas Cranach dem Älteren (Werkstatt)? Dom-Museum-Wien |