Reformationsgedenken_2017_4

Reformationsgedenken

Wegen Überfüllung geschlossen

Warteschlange vor der Kirche (Foto: M. Baumann)

Haben Sie schon einmal erlebt, daß die Kirche wegen Überfüllung geschlossen werden muß? Zum Reformationsjubiläum am 31.10.2017 war es soweit! Schon um 9:20 Uhr bildete sich eine lange Schlange vor dem Kircheneingang, quer über den Platz bis hinüber zum Kaufhof. Alle sind der Einladung zum ökumenischen Reformationsgedenken gefolgt, und es kommen immer noch mehr! Um 9:30 sind alle Plätze in der Kirche und auf der Empore belegt. Die ersten Menschen stehen bereits in den Gängen und im Raum unter der Empore.

Zu allem Überfluß liegt auf einmal noch ein scheinbar herrenloser Rucksack im Foyer herum! Der Adrenalinspiegel steigt bei allen Verantwortlichen. Wie sollen wir unter solchen Umständen für einen halbwegs geordneten Ablauf des Gottesdienstes sorgen? Um 9:40 Uhr ist die Kirche so voll wie eine U-Bahn zur Rush-Hour, und draußen stehen noch über 100 Menschen in der Schlange. Eigentlich halten sich schon viel mehr Menschen in der Kirche auf, als zu verantworten ist. Hoffentlich geht das gut! Im Geiste lese ich schon die Schlagzeilen: „Massenpanik in völlig überfüllter Kirche – Dutzende Gläubige im Gottesdienst zertrampelt!“

Schweren Herzens entscheiden wir, die Kirche zu schließen. Natürlich regt sich sofort Unmut bei den draußen Gebliebenen. Warum durften die einen gerade noch hinein, und nun plötzlich keiner mehr? Erschütternde Szenen spielen sich ab, als würden drinnen gerade die letzten freien Plätze für das Paradies vergeben, und die anderen würden hinausgeworfen in die äußerste Finsternis! So nahe liegen Annahme und Verwerfung beieinander: „Siehe, meine Knechte sollen vor Herzenslust jauchzen, ihr aber sollt vor Herzeleid schreien und vor Jammer heulen!“  

Ich muß mir einigen Unmut anhören, und das zu Recht. Wenn es wenigstens eine Lautsprecher­übertragung ins Freie gäbe! Aber nichts ist vorbereitet, nichts ist draußen vom Gottesdienst zu hören oder zu sehen. Überdies ist es frostig kalt. Nach einigen Minuten zerstreut sich die Menge. Jeder muß nun sehen, wie er mit seiner Frustration umgeht. Manche bleiben freundlich und gelassen, andere sind auf das äußerste empört.  An höchster Stelle werde man sich beschweren, wird mir bedeutet.

Blick vom Vorraum zum Altar

Vom Gottesdienst drinnen, auf den ich mich so gefreut hatte, bekomme ich nicht viel mit; auch ich bin enttäuscht und beschämt. Da kommen einmal viel mehr Besucher als man erwartet hat, und dann versagt unsere Event-Kultur kläglich. Warum nur habe ich nicht solchen Glauben wie Jesus Christus! Der spräche jetzt einfach ein kurzes Dankgebet, schon würden die Menschen etwas zusammenrücken, und auf zwei Stühlen und wenigen Bänken fänden plötzlich 4000 Gläubige nebeneinander Platz!

Aber Gott will heute kein weiteres Wunder vollbringen – denn ein

Wunder ist ja bereits geschehen, daß nämlich so viele Menschen der Einladung zum Gottesdienst gefolgt sind, so viel mehr als unsere Kirche Plätze hat! Und ist es nicht schon Grund zur Dankbarkeit genug, daß der Gottesdienst ohne Zwischenfälle verläuft, trotz des großen Gedränges? „Nun jauchzt dem Herren, alle Welt, kommt her, zu seinem Dienst euch stellt, kommt mit Frohlocken, säumet nicht, kommt vor sein heilig Angesicht!“ Gerne folgen wir dieser Einladung, schon am nächsten Sonntag ist hier wieder Gottesdienst – und wahrscheinlich sind diesmal sogar noch ein paar Plätze frei!
Wolfram Schmidt
                                                                                     (Beitragsbild: E. Schneider)