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Impuls zum 10. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Olaf Lewerenz

Dr. Olaf Lewerenz

Stadtkirchenpfarrer
an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685 -1750
Triosonate e-moll bwv 528, Adagio/Vivace
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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„Die schärfsten Kritiker der Elche warn früher selber welche!“

An diesen Spruch von F.W. Bernstein, einem der Satiriker der neuen Frankfurter Schule, muss ich immer wieder mal denken. Wer von Ihnen schon einmal mit einem vom Steakesser zum Veganer bekehrten Zeitgenossen über Kuh- oder Hafermilch für den Cappuccino sprechen wollte, der weiß, wozu konvertierte Elche fähig sind.

Ähnlich war wohl auch das Verhalten vieler oder einiger der ersten Christen, die vorher Juden waren. „Wie kann jemand nicht kapieren, dass Jesus der erwartete Messias ist, der Sohn Gottes?“ Diesen „Elchen“ entgegnet Paulus: „ Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“ (Röm 11, 32)Heißt: Sowohl Juden als auch Christen erbarmt sich Gott.

Das wurde aber von den ersten Jahrhunderten an bis ins 20. Jahrhundert meist nicht verstanden. Juden galten als von Gott verworfen, Christen als erwählt. Von Streit über Unterdrückung bis hin zur Vernichtung reichte diese Geschichte.

Es war sicher für die ersten Christen schmerzlich zu sehen, wie jemand, der Jude ist, in Jesus nicht den von Gott gesandten Messias sehen konnte. Eigentlich hätten sich ihrer Meinung nach alle Juden zum Christentum bekehren müssen. Warum verstanden die anderen das nicht und beharren auf ihrem „alten“ Glauben?

Christen sehen ihren Glauben als Erfüllung der jüdischen Verheißungen an. Ähnliches können übrigens auch Muslime von uns Christen denken, denn für sie geschieht die endgültige Offenbarung Gottes durch Mohammed.

Aber so wie ich nicht zum Islam konvertiere, so konvertierten auch Juden nicht zum Christentum. Mit dieser Kränkung mussten die ersten Christengemeinden leben. Und oft sind aus einst besonders strenggläubigen Juden unter den ersten Christen die schärfsten Kritiker der Juden geworden. Das liegt sicher auch daran, weil das Judentum ihnen noch so nah war – deshalb mussten sie viel Energie aufwenden, um sich abzugrenzen.

Doch in der Auseinandersetzung mit seinen Mitchristen hält Paulus fest: Juden sind das von Gott auerwählte Volk der Kinder Israels. Mit uns Christen gibt es einen neuen Bund, der aber den alten nicht aufgehoben hat. Und auch die Gebote und Weisungen Gottes, sie gelten weiter. Jesus sagte in der Bergpredigt, dass nicht ein Jota, nicht ein I-Punkt davon aufgehoben werden soll.

Ich bin davon überzeugt, dass alle an Gott glaubenden Menschen – Juden, Christen und auch Muslime – in gegenseitiger Achtung voreinander und vor Gott mit ihren unterschiedlichen Traditionen und Glaubensgebäuden Gott die Ehre erweisen sollten und den Menschen und der Schöpfung Frieden bringen. Wie der Prophet Jeremia sagt: „So ihr mich von ganzem Herzen suchet, so will ich mich finden lassen.“ (Jer. 29, 13f)

Johann Sebastian Bach, 1685 -1750
Triosonate e-moll bwv 528, Un poco allegro
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen

Die Predigt zum 10. Sonntag nach Trinitatis lesen Sie hier