Impuls Von Pfarrerin Christiane Hoffmann, gehalten am 1. Dezember im Gebet am Mittag

Das Gleichnis von der Weihnachtspyramide

Ich möchte Ihnen ein Gleichnis erzählen – aus meinem Wohnzimmer sozusagen.

Die erzgebirgische Weihnachtspyramide hatte schon einige Jahre in einem Karton im Keller zugebracht. Nun haben wir sie hervorgeholt und repariert. Nein, es handelt sich nicht um so ein mehrstöckiges großartiges Exemplar. Eher schlicht. Maria, Josef, das Kind – die Weisen, zwei Hirten und drei Schafe, die alles umkreisen. Der Stempel auf der Unterseite gibt noch an: Hergestellt in der Deutschen Demokratischen Republik. Jetzt also sollte sie endlich wieder gangbar gemacht werden. Ein Hirte fehlt. Die Palme hat einige Blätterwedel gelassen. Die extra besorgte neue Unterlegscheibe aus Glas lässt sich nicht anbringen, aber ein Nachschleifen des Dorns der Achse scheint auch zu helfen. Kerzen sind auch noch da: Die Pyramide dreht sich wieder, mit einer kleinen Unwucht zwar, aber egal: schön ist es doch.  Mir gefällt sie, so wie sie ist:

Es läuft nicht rund.

Unsere Weihnachtspyramide nichtund auch der Advent in diesem Jahr nicht. Erneut wird es wahrscheinlich Weihnachtsgottesdienste ohne gemeinsames Singen geben. Der Bittsteller vom kleinen Familienzirkus friert noch mehr als sonst, wenn er seine Runde von Tür zu Tür macht und sich vorher Mut zutrinkt. Ich denke, dass die Sache mit dem Impfen die beste Lösung ist, aber die Freunde und Freundinnen, die sich bislang anders entschieden haben, sind mir wichtig. Bleiben Emails und Whatsapp, die gute alte Post und das Telefon…

 Es läuft nicht rund.

Ein Hirte hat den sicheren Platz in der Geschichte verlassen und sich aus dem Staub gemacht. Lässt sich die Herde vom Homeoffice aus hüten?Was geschieht, wenn andere Hirtinnen und Hirten verschwinden, weil ihnen die Kräfte ausgehen? In den Krankenhäusern, Pflegeheimen, Ambulanten Diensten, Kitas, Schulen? Sonderzahlungen, ja, aber auch Anerkennung und Dank im Alltag. Eine Grundschullehrerin erzählt, dass sie manchmal Mühe hat, sich an die Gesichter der Kinder zu erinnern, weil sie sie nur noch mit Maske sieht.

 Es läuft nicht rund.

Wie denn auch? Hat nicht auch unsere Welt eine Unwucht? Mindestens! Ein Virus vermag die eh nur andeutungsweise vorhandene Balance ins Wanken zu bringen. Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Hunger, Wassermangel, Krieg und Kriegsdrohungen, Flucht, Kälte, Suche nach Arbeit und einem besseren Leben…

Heute die Anzeige in der Zeitung mit den Namen der im letzten Jahr in Frankfurt an Aids verstorbenen Menschen…

 Und trotzdem.
Advent ist trotzdem.
Advent ist immer trotzdem.
Für den Erdkreis und für die, die darauf wohnen.
Weil wir noch etwas zu erwarten haben.
Weil wir noch etwas zu hoffen haben.
Weil etwas auf uns wartet.
Weil auf uns Hoffnung gesetzt wird.

Wir zünden Lichter an. Nicht – nicht nur – weil es so schön gemütlich ist. Eine Musikerin lädt zum Online-Adventssingen ein. Bei den Nachbarn im Hof, stehen wir mit mitgebrachter Suppe und Glühwein am Feuerkorb. Ich höre an der geöffneten Tür zum xten Mal die Geschichten vom Zirkus. Ich schaue, wie der übriggebliebene Hirte in unserer Weihnachtspyramide sich alleine auf den Weg macht. Und auch eine lädierte Palme kann Schatten spenden.

 Mein Leben läuft nicht rund.

Ich brauche den Advent.

Evangelisch-lutherische St. Katharinengemeinde