Impuls zum 11. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Lars Heinemann

Pfarrer an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685-1750
Triosonate c-moll BWV 526 – 3. Satz: Allegro
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen

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„Gottlob, dass ich kein Pharisäer bin!“

Liebe Besucher*innen der Homepage:

Zwei Menschen gehen in die Kirche. Eine Frau, die das regelmäßig tut. Die sich engagiert, beruflich wie privat. Die sich wirklich bemüht, ein gerechtes, ein „gutes“ Leben zu führen. Und eine Frau, der das alles reichlich egal ist. Die sich nicht darum kümmert, und die Geld damit verdient, dass andere Menschen ihres verlieren.

Ein Holzschnitt? Ja, aber so ist das oft mit diesen Geschichten, die Jesus erzählt: Sie sind plastisch, damit sie greifbar werden. Und diese Geschichte von den beiden Frauen lehnt sich lose an das Evangelium des heutigen Sonntages an, die Geschichte vom Pharisäer und vom Zöllner (Lukasevangelium, Kapitel 18, Verse 9-14).

Wem würden unsere Sympathien gelten? Wen finden Sie besser? Wahrscheinlich die erste Frau – zumindest würde es mir so gehen.

Doch die Geschichte geht noch weiter. In der Kirche beten beide Frauen nämlich ganz unterschiedlich. Die erste dankt Gott – dafür, dass sie so gut ist. Dass sie die Dinge richtig macht, im Unterschied zu so vielen anderen Menschen. Und im Unterschied zu dieser anderen, der zweiten Frau. Ganz schön selbstgerecht und überheblich.

Die zweite Frau setzt sich dagegen ganz hinten in eine Ecke, und betet nur einen Satz. Der aber hat es in sich: „Gott, sei mir Sünderin gnädig.“ (Vers 13). Keine Selbstgerechtigkeit, keine Überheblichkeit. Nur ein: Ich kann es selbst nicht leisten, das rundherum Gute, ich mache vieles falsch – lass mich bitte nicht fallen, Gott. Das alte Wort dafür: „Demut“.

Wo sind die Sympathien jetzt? Na klar, bei der zweiten Frau. So erzählt Jesus auch die Geschichte. Der zweite Mann, der Zöllner, geht in Gottes Augen gerechtfertigt nach Hause, nicht etwa der Pharisäer.

Doch Vorsicht, die Geschichte hat noch einen Dreh. Allzu schnell hat man sich mit der Demut der zweiten Frau identifiziert. Da gehört man doch hin, oder? Der Lyriker Eugen Roth hat diese vorschnelle Identifikation in einem klugen Gedicht auf den Punkt gebracht: „Ein Mensch betrachtete einst näher / die Fabel von dem Pharisäer, / der Gott gedankt voll Heuchelei / dafür, dass er kein Zöllner sei. / Gottlob!, rief er in eitlem Sinn, / dass ich kein Pharisäer bin!“

Wahrscheinlich spielt unser Leben dazwischen: Zwischen dem Bestreben, gut zu handeln, dafür immer wieder aber auch selbstgerecht und überheblich zu sein, einerseits. Und den Fehlern, die wir machen, da, wo wir schlecht handeln – was wir aber aufrichtig einsehen und bereuen, andererseits. Wahrscheinlich haben wir beide Seelen in unserer Brust, die der ersten Frau, des Pharisäers – und die der zweiten Frau, des Zöllners. Im Spannungsfeld zwischen beidem zieht es uns hin und her. „Mehr Zöllner, mehr Sünderin wagen“, aber das nicht nach Art des Pharisäers – das gibt uns Jesu Geschichte mit auf den Weg.

Bleiben Sie behütet. Amen

Ihr Pfarrer Dr. Lars Heinemann

Georg Böhm 1665-1733
”Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“ – Choralbearbeitung
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen