Impuls zum Sonntag Invokavit

Dr. Olaf Lewerenz
Dr. Olaf Lewerenz

Stadtkirchenpfarrer an
St. Katharinen
Johann Sebastian Bach, 1685–1750
„Kyrie, Gott, Vater in Ewigkeit“
Choralbearbeitung BWV 669
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen

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Am liebsten weglaufen oder den Kopf in den Sand stecken …

Da sitzen sie nun alle um einen Tisch und feiern das Passahmahl, Jesus und seine Jünger. Plötzlich kündigt Jesus an, dass er von einem seiner Freunde verraten werden wird. Und nun? Die Gemeinschaft ist bedroht, was jetzt?

Johannes, der Jünger, den Jesus besonders liebte, legt seinen Kopf auf den Schoß von Jesus. Er schottet sich von der Realität ab, flüchtet sich in eine Scheinwelt, in einen Kinderglauben.

Simon Petrus, der, der Jesus dreimal verleugnen wird, versucht das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. Er ist der Rationale, der verhandeln, ausloten will. Er will die Situation klären, in den Griff kriegen – und überschätzt sich.

Judas, meist illustriert mit Geldbeutel und wilden roten Haare, ist auf dem Sprung. Im nächsten Moment wird er die Tischgesellschaft verlassen und weggehen, um Jesus zu verraten.

So beginnt die Passion, die Leidenszeit Jesu: der Teufel hat Einzug gehalten in die Menschen um ihn herum.

Auch in mir selbst finden sich Anteile aller drei: Da ist mein Ich, das sich angesichts schwieriger Situationen oder Trauer wie Johannes an die Brust der Mutter sehnt oder nach jemanden, der mir über den Kopf streicht. Doch das ist keine erwachsene Reaktion, eher ist es den Kopf in den Sand stecken.

Es muss nicht immer der Verrat an einem Menschen sein, aber vor einem Problem wegzulaufen, auch das ist bei uns verankert. Wenn immer es eng wird, versuche ich mich davonzustehlen wie Judas. Doch die Probleme werden mich wieder einholen, drängender als zuvor.

Gerne will ich alles im Griff haben, versuchen, souverän alles zu klären. Zugleich versuche ich mich dabei als der bessere gegenüber den anderen zu profilieren. Doch dann kann ich wie Petrus den Ansprüchen nicht genügen und scheitere an der Verantwortung, die ich mir aufgeladen haben.

Alles hat seine Zeit: sich zu verkriechen, zu versuchen Klarheit in eine Sache zu bekommen, wegzulaufen. Und je nach Charakter ist das eine oder andere mehr ausgeprägt.

Eine Rechtfertigung für mein Handeln habe ich immer. Doch genau das hilft mir nur wenig. Wir sind erwachsene Menschen. Das heißt: wir können, aber wir müssen auch Verantwortung übernehmen für unser Leben und das unserer Gesellschaft. Welchen Weg können wir gehen angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen?

»Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten.«Da sahen sich die Jünger ratlos an und fragten sich: »Von wem spricht er?« (aus Johannes 13)

Er spricht auch von mir. Von uns allen. Wie können wir verhindern, dass unsere Gemeinschaft auseinanderbricht? Es bleibt die Hoffnung, dass wir in der Nachfolge Jesu die Verantwortung für das, was anliegt, annehmen. Möge Gott uns dazu Mut und Kraft verleihen, Amen.

Felix Mendelssohn Bartholdy, 1809–1847
Sonate c-moll op. 65, Nr. 2
1. Satz : Grave / Adagio
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen