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Impuls zum 5. Sonntag nach Trinitatis

Pfarrerin Dr. Gita Leber

St. Katharinengemeinde
Frankfurt am Main

Predigttext: Lukas 5, 1-11 (II)
1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, zu hören das Wort Gottes, da stand er am See Genezareth. 2 Und er sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. 4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. 6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. 8 Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. 9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, 10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

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Johann Sebastian Bach, 1685-1750
Concerto G-Dur BWV 592 1. Satz. Allegro
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Die lebendige Erzählung des Lukas vom „Fischzug des Petrus“ deutet das Leben. Lukas erzählt in vier Episoden: die Menschen, die der Rede Jesu vom Anbruch des Gottesreiches lauschen; die Ausfahrt und der überreiche Fischfang; der Kniefall des Simon Petrus und seine Berufung; das Leben in die Nachfolge.

Inspiriert von dieser grandiosen Erzählung über das Leben in all seinen Facetten malt im Jahr 1598 der niederländische Maler Jan Brueghel, der Ältere dieses farbenfrohe Wimmelbild.

Jan Brueghel fügt alle vier Episoden aus der lukanischen Geschichte in ein einziges Tafelbild zusammen. Ja, noch viel mehr! Es ist tatsächlich eine „Weltlandschaft“, in die die Szenen der biblischen Geschichte so detailgenau eingefügt sind, dass man immer wieder Neues entdeckt.

Wonach man aber vor allem lange suchen muss, das ist der aus dem Boot zur unübersehbaren Menschenmenge predigende Jesus. Im Vordergrund des Bildes hat der ergiebige Fischfang bereits stattgefunden. Die Körbe mit den großen und kleinen Fischen quellen über. Ein fröhliches Treiben ist es da auf dem Marktplatz. Scheinbar im Bildhintergrund fällt dann aber doch die kleine, weiß gewandete Gestalt auf. Sie steht in einem Boot. Dass es Jesus sein muss, wird klar, wenn man darauf aufmerksam wird, dass sich in dieser Gestalt genau die beiden Bilddiagonalen überschneiden. Der Prediger vom Anbruch des Gottesreiches ist der Mittelpunkt des Weltganzen, das hier exemplarisch mit der Weite seiner Landschaften, den Dörfern und Städten sowie dem Handel und Wandel der Menschen dargestellt wird.

Der Heiland steht keineswegs weit sichtbar auf einem der Berggipfel. ER bleibt fast unsichtbar im Hintergrund, obwohl auch hier ohne ihn und sein Erlösungswerk alles das nicht wäre und vor sich gehen würde.

Was uns vor Augen tritt, ist das geschäftige Leben: Arbeit und Spiel, Vergnügen und Enttäuschung, Großes und Kleines, Hohes und Tiefes. Das volle Leben, seine Buntheit und Gemeinheit. Und Petrus?

Er muss einer der Männer in einem der vielen Boote sein. Doch ich finde ihn überhaupt nicht. Offensichtlich hat er sein Boot, die Netze, die vielen Fische schon längst zurückgelassen. Überwältigt von der Begegnung mit Jesus, befreit von allem, was auf ihm lastete, dessen gewiss, seinem Erlöser begegnet zu sein und von ihm in Dienst genommen! So hat er alle, die er trifft, für die Einsicht zu gewinnen, die ihm aufgegangen ist: Bedingungsloses Vertrauen in Gott kann zu einer unwahrscheinlichen Lebenskraft werden. Nicht, dass dann alles gelingt, aber ich werde innerlich frei und eines mich tragenden Grundes gewiss. Ich bin gefestigt, was auch immer geschehen mag.

Im Betrachten des Wimmelbildes von Jan Brueghel wird mir klar: die Geschichte von Lukas ist nicht mehr die Geschichte einer außerordentlichen Lebenswende (die von Petrus), schon gar nicht mehr nur die Berufung eines Einzelnen in einen besonderen missionarischen Auftrag. Brueghel nimmt die biblische Geschichte vielmehr so auf, dass er das Weltganze und mit ihm unser aller alltägliches Leben hineinnimmt in die tröstende, frohmachende Botschaft: der alles umgreifenden und tragenden Gottespräsenz. Gott /Christus ist da. Mitten drin. Im Hintergrund. Fast nicht sichtbar. Doch er ist mitten drin in all dem Leben und Weltgeschehen.

Es ist doch so auch bei uns: Die wenigsten können von einer erschütternden „Begegnung mit Jesus“ erzählen oder auch nur von besonderen Erfahrungen, durch die sie „zum Glauben gefunden“ hätten. Es ist vielmehr so, dass wir uns in allen vier Episoden, die Lukas in dieser Geschichte erzählt, irgendwie und irgendwann wiederfinden. Aber eben nicht unbedingt in dieser konsequenten Abfolge von Etappen, die vom Hören der Botschaft vom Gottesreich über die aus der Sünde und Not befreiende Gotteserfahrung bis hin zum Ruf in die Nachfolge führen. Oft finden wir uns auch in den Zwischenräumen oder es passiert, dass wir irgendwo auf halbem Weg steckenbleiben.

Keinem der Vielen, die jetzt so fröhlich und teilweise im Sonntagsstaat sich dem Markttreiben überlassen, war ja dieses Gefühl der Vergeblichkeit fremd: „… die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Umsonst alle Anstrengung. Der Erfolg bleibt aus. Anerkennung finden die anderen! Ich bin mit meinen Kräften am Ende! Die Aufgabe ist zu groß! Die Dinge sind zu kompliziert! Ich hatte nie eine wirkliche Chance! Es hat doch alles keinen Zweck!

Wie oft habe ich selbst solche Sätze fallen lassen. Viel zu oft! Deshalb weiß ich aber auch, wie wichtig es ist, nicht immer weiter in den Sog solch deprimierender Gefühle zu geraten. Schnell kommt eine verhängnisvolle Spirale in Gang, die uns immer weiter runterzieht.

Hilfreich ist es in solchen Situationen, Menschen zu begegnen oder gar um sich zu haben, die, wie Petrus, der Menschenfischer, uns neuen Mut machen! Aber nicht mit haltlosen Versicherungen, dass es schon wieder aufwärts gehen wird, nicht mit forschen Durchhalteparolen.

Nein, was Petrus in der überraschenden Begegnung mit Jeus und angesichts seines wunderbaren Fischfangs klar geworden war, damit konnte er die Menschen für Gott gewinnen: Wichtig ist, nicht zuerst den Mangel zu sehen. In Wahrheit leben wir doch aus der Fülle. Es ist für alles Notwendige gesorgt. Woran es fehlt, das sind nicht die Dinge, die wir zum Leben brauchen. Woran es fehlt, das ist unser Vertrauen aufs Gelingen, darauf zu setzen, dass ein Gott ist, der uns und alle Welt in seinen guten Händen hält.

Und wo es Menschen tatsächlich an Essen und Trinken fehlt und an Bildung – da sollen wir selbstverständlich tätig werden im Sinne der Fülle für alle.

Diese Geschichte wurde von Lukas nach der Katastrophe erzählt, die alle Jüngerinnen und Jünger Jesu in die Verzweiflung gestürzt hatte: nach Jesu Tod am Kreuz. Es ist die Katastrophe des „alles umsonst“. Und es ist auch die Geschichte des großen „Fürchte dich nicht“, das Gott ihnen am dritten Tag durch den Engel am Grab sagen ließ.

Die Geschichte vom „alles umsonst“ der Fischer und ihres ergiebigen Fischfangs erzählt die Begegnung mit dem Auferstandenen – eine Begegnung, die in den Alltag der Menschen hineinerzählt ist. Mitten hinein damals in das harte Leben der Fischer. Mitten hinein heute in das, was wir erleben, erleiden, lieben.

Die Stärke dieser lukanischen Erzählung ist, dass sie beides erzählt – das Wunder und das Alles umsonst. Die Auferstehung und das Kreuz. Beides. Schmerz und Heilung. Alles umsonst und Fülle, Erlösung, Erfüllung.

Im Bildvordergrund steht vor Augen, wie die Menschen in ihren alltäglichen Leben ihre Kraft und Lebendigkeit aus der Fülle der göttlichen Gnade schöpfen – symbolisiert durch die zum Verkauf angebotene Fülle an großen und kleinen Fischen.

Petrus, den Jesus zum Menschenfischer beruft, hat hier seine Arbeit schon weitgehend vollbracht. Das Markttreiben, der Seehafen, die Städte, das Meer, die Berge – eine Landschaft, wie sie kaum einladender sein kann – in dem allem blicken wir auf die von Gott geschaffene und gnädig im Dasein erhaltene Welt. Es ist so: Er wird es nie im Stich lassen: dieses wunderbare Werk seiner Hände. So ist Gott auch heute der Grund unseres Vertrauens ins Leben. So geht er mit uns, ganz unscheinbar sich im Hintergrund haltend – wie der Christus im Bild, nur mühsam zu finden, aber doch da, indem er diese Welt im Innersten zusammenhält. Amen.

Johann Sebastian Bach, 1685-1750
Concerto G-Dur BWV 592 3. Satz. Presto
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen

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