Pfarrerin Dr. Gita Leber
St. Katharinengemeinde
Frankfurt am Main
Predigttext: Johannes 17, 20-26
Liebe Gemeinde!
Mit einem Himmelsbild will ich beginnen:
„Menschen sind genauso wundervoll wie ein Sonnenuntergang, wenn ich sie sein lassen kann. Ja, vielleicht bewundern wir einen Sonnenuntergang gerade deshalb, weil wir ihn nicht kontrollieren können. Wenn ich einen Sonnenuntergang betrachte, wie ich es vor ein paar Tagen tat, höre ich mich nicht sagen: ‚Bitte das Orange etwas gedämpfter in der rechten Ecke und etwas mehr Violett am Horizont und ein bisschen mehr Rosa in den Wolken.‘ Das mache ich nicht. Ich versuche nicht, einem Sonnenuntergang meinen Willen aufzuzwingen.“ (Rogers, 1981, zitiert in: Gewusst wie, gewusst warum, S. 163)
Das ist der Himmel: Den anderen Menschen so sein zu lassen, wie er ist. Ein Mensch – wie einen Sonnenuntergang betrachten. Darin liegt der Schlüssel zur Liebe. Der Liebe Gottes, die in uns Christinnen und Christen leben soll. So wie sie in Jesus gelebt hat. In dieser Liebe war er eins mit dem Vater. In dieser Liebe sollen auch wir eins sein mit ihm und mit Gott. Es ist eine Einigkeit in all unserer Verschiedenheit. Einig in der Liebe, einander sein zu lassen wie wir sind und uns dennoch in Liebe zugetan zu sein; zumindest zu ertragen.
Ein zweites Himmelsbild will ich hinzufügen:
Ein Kind erlebt den Tod seiner Großmutter. Traurig fragt das Kind, wo Oma jetzt ist. Was antworten wir? Wir sagen: Sie ist im Himmel. Sie wohnt jetzt bei Gott und dort ist es wunderschön. Dort wohnen alle, die nicht mehr bei uns sind, weil sie gestorben sind. Und wenn wir in den Sternenhimmel schauen, dann dürfen wir uns vorstellen, dass das Licht eines dieser Sterne ein Liebesgruß von Oma ist.
Auch Erwachsene brauchen die Poesie dieser Bilder. Die Kraft der Worte „Ich werde sie alle zu mir ziehen“, wie das Joh-Ev Jesus sagen lässt.
Wie gut, dass es Orte wie unsere St. Katharinenkirche hier gibt. Orte, in denen wir uns vergewissern dürfen, in wessen Namen wir tun, was wir tun. Orte, in denen wir zwischendurch ausruhen dürfen. Auch traurig sein dürfen über Abschied und Verlust. Orte, an denen wir klagen können, wenn wir uns von Gott und der Welt verlassen fühlen. Orte, die uns bergen wie ein Mutterschoß. Immer schon haben Menschen solche Orte geschaffen –zur Ehre Gottes und zum Leben für die Menschen. Orte, an denen wir Hoffnung schöpfen.
Der Himmel ist ein Hoffnungsraum. Und er ist eine Atmosphäre des Einsseins mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Ich bin geborgen.
Im Joh-Ev. sind die Worte Jesu, das Hohepriesterliche Gebet, an das Ende seiner Abschiedsreden gesetzt. Vor seiner Kreuzigung. Jesus entfaltet in seinen Worten also jenen Hoffnungsraum, in den er uns alle zu sich ziehen will, nachdem er auferstanden ist. Es ist Jesu Testament, das er ausspricht: Er vermacht die Seinen Gott! Ein Trost. Hoffnung, dass unser Leben in Gottes ewiger Liebe geborgen sein wird, wenn es hier auf Erden zu Ende gelebt ist. Was würde unser letztes Gebet erflehen, ehe wir sterben müssten? Würden auch wir die Unseren Gott vermachen, bitten, dass sie bei Gott bleiben?
Der Himmel ist ein Hoffnungsraum eben auch für die Erde. Für das menschliche Leben hier und jetzt. Für unseren Umgang miteinander und mit der ganzen Schöpfung.
Lasst uns tun, was Jesus uns gelehrt und geboten hat. Schaut nicht nur in den Himmel! Lasst uns tun, was er uns zumutet, was er uns zutraut und anvertraut! Lasst uns predigen in seinem Namen, heilen, trösten, ermahnen, und vor allem: Lasst uns einander annehmen, so wie er uns angenommen hat. Lasst uns miteinander mit all unserer kleinen Kraft für den Frieden zu Hause, in unseren Beziehungen und in der Welt einstehen.
Die Hoffnung und die Liebe sind der Himmel. Und deren Ort ist immer dieser Tag. Die Gegenwart, in der sie sich finden lassen in der Tiefe der Dinge. Jetzt.
Menschen, in die der Geist fuhr, und das sind alle Getauften, haben eine veränderte Wahrnehmungsstruktur, ein feineres Gehör, gestimmt auf etwas Tieferes und Ferneres hin. Sie beurteilen die Dinge anders: geistlich. Sie sehen einander anders an: freundlich. Können einander sein lassen, wie sie sind. Sie begegnen einander anders: friedlich. Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, als wir getauft wurden, sondern den Geist der Liebe, des Einsseins mit Gott und der Hoffnung. Bilder des Himmels.
Ihre Pfarrerin Gita Leber