Impuls zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Gita Leber
Pfarrerin an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685–1750
Fuge C-Dur BWV 545
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Predigttext: 1. Korinther 3, 9-17 (II)
9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. 10 Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. 16 Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? 17 Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.

Das Tröstliche ist verdichtet in dem Vers in dem gesagt wird: „Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer.“ (V. 15).

Gerettet, doch so wie durchs Feuer: Also nicht ohne das Gefühl, das durch die Erfahrung entsteht, des „Alles umsonst“.

Kleine Statistik – Zahlen der EKHN wurden Anfang Juli vorgelegt: Viele Austritte, schwindende Mitgliederzahlen. Bei uns in St. Katharinen weniger als im Durchschnitt. Dennoch: Wohin bewegen wir uns als Kirche? Als Gemeinde?

Ich glaube nicht, dass alles umsonst war, was wir in den letzten Jahrzehnten geleistet haben in der Kirche und in unserer Gemeinde aufgebaut haben. Ich glaube an den Sinn all des Guten, das wir tun; in unseren Kitas: dass sich die Kinder später noch an die schöne Zeit in der Leerbachstr. bzw. in der Myliusstraße erinnern; an die Krippenspiele; dass unsere ältern Gemeindeglieder die vielen Treffen, die Gespräche, die Reisen als wunderbare Erfahrungen in ihren Herzen tragen; dass die seelsorgliche Begleitung, vielleicht anlässlich des Todes eines Angehörigen zu den wichtigsten und guten Erfahrungen des Lebens gehören; und ich glaube, dass es auch einen verborgenen Sinn gibt. Sicher gibt es auch das Sinnlose und Dinge, die nutzlos waren, wie wir im Nachhinein manchmal feststellen.

Ich glaube , dass es in veränderten Situationen neue Möglichkeiten und Formen des Glaubens an Christus und der gelebten Christengemeinschaft geben wird. Denn es gibt einen Grund: Christus Jesus.

„Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (V.11). Dieser Vers findet sich in unzähligen Zeitkapseln, die bei Grundsteinlegungen von Kirchen verbaut wurden. Sie warten darauf, eines Tages wieder geöffnet zu werden. In einem tieferen Sinn ist der Predigttext als Zeitkapsel zu verstehen, denn er enthält theologische Reflexionen über Zeit: Vergänglichkeit, Dauer, Erinnerung und Zukunft. Diese Zeitdimensionen werden im Medium metaphorischer Überlegungen zur Architektur durchgespielt.

Der Grund, der gelegt ist, ist Jesus Christus: die Mensch gewordene Barmherzigkeit Gottes. Sie kennzeichnet Gottes grundlose und GRUNDLEGENDE – GRUNDGEBENDE Liebe. Diese Bezeichnung „barmherziger Gott“ steht gegen jede Form von menschlicher Unbarmherzigkeit und Gnadenlosigkeit, Treulosigkeit und Lüge.

Vielleicht ist die Gnadenlosigkeit, die sich in unserer Gesellschaft in vielfältiger Weise zeigt und in anderen Ländern noch viel drastischer gerade ein Symptom ihrer Gottlosigkeit. Wo der Tod Gottes verkündet wird, wird auch der Tod der Barmherzigkeit und Gnade verkündet.

Der Text heute erzählt von dem barmherzigen Geist Gottes, der in uns wohnt oder wohnen möge. Auf jede einzelne von uns kommt es an! Wir selbst sind von Christus als dem Baugrund unseres Lebens angesprochen und wir sollen andere Menschen in ebensolcher Liebe ansprechen. Mögen wir doch mehr werden, mögen wir doch mehr Menschen erreichen mit unserer Botschaft der Gnade und Rettung über den Tod hinaus. Deshalb schmerzen Kirchenaustritte, deshalb schmerzt eine offensichtliche Gleichgültigkeit gegenüber einer Gemeinschaft, die sich diese Lehre von Barmherzigkeit und Güte, zu eigen macht. Zwar sind auch wir nicht immer Engel aber wir lassen uns immer wieder von Gott korrigieren. Ja, die christliche Gemeinde weiß um ihr stetes Angewiesen-Sein auf Gottes Vergebung und Gottes Vergessen.

Wir haben einen festen Grund: Jesus Christus. Das heißt: eine feste Beziehung zwischen Gott und uns Getauften, eine Beziehung, die von Gottes Seite her nicht zerbricht. Sie ist nicht frei von Krisen, aber sie hat Bestandsgarantie. Sie wird halten, weil Gott sie gestiftet hat, weil er den Grund Jesus Christus gelegt hat. Gott hat seinen Heiligen Geist der Barmherzigkeit und Liebe in uns gegeben, dass er in unseren Leibern wohnt und wirkt. Der Geist Gottes steht für Recht und Gerechtigkeit, für Glück und Leben. Der Geist Christi, Gott selbst, hat sich so unauflöslich mit uns verbunden.

Wenn wir darauf vertrauen, wenn wir das so empfinden und glauben können als ein Geschehen an uns selbst, dann hat es uns innerlich erreicht. Darauf hofft Paulus hier mit seinen Worten: auf die Einwohnung Gottes in meinem Leben, jeden Tag und zu meinem Glück. In jedem Abendmahl wiederholt sich dieser Einzug in unsere Leiber.

Gottes Wohnungnahme in uns ist noch nicht abgeschlossen. Als eine Beziehungsgeschichte kann sie nie abgeschlossen sein. Wie eine Beziehung immer im Werden und im Wachsen ist , so ist auch diese Beziehung Gott – Mensch und Kirche und Gott stets im Werden und im Wachsen – jedenfalls so lange, bis Gott seine endgültige Neuschöpfung, seinen endgültigen Neubau dieser Schöpfung wirkt.

Bis dahin liegt es an uns, mit Gott zu rechnen und in der von ihm gesetzten Zeit Sinn zu entdecken; die Zeichen seiner Barmherzigkeit und Güte. Hier mitten in Frankfurt und in unseren Familien und anderen menschlichen Beziehungen – mit Gott rechnen. Auch angesichts der Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen und menschlicher Existenz die Hoffnung auf den barmherzigen Gott des Lebens, den Grund unseres Lebensbaus zu bewahren.

Flor Peeters, 1903–1990
Lied an  die Sonne op. 66
Prof. martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen