Impuls zum 8. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Gita Leber

Pfarrerin
an St. Katharinen

Josef Rheinberger, 1839–1901
Suite op. 166 für Violinenchor und Orgel, 1. Satz
Susanne Stoodt und ihre Violinklasse
Martin Lücker, Orgel
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Predigttext: Matthäus 5, 13-16

Liebe Gemeinde!

Sie stehen in einer Reihe und reichen sich die Trümmer oder die Fundstücke. Von Hand zu Hand gehen die Teile bis ans Ende der Kette aus Menschen, die alle mithelfen. Schweres Gerät kann nicht an diesen Ort fahren, also bilden die Freiwilligen eine Art Förderband aus menschlichen Händen. „Es sind so viele Helfende gekommen. Es ist eine enorme Solidarität mit uns zu spüren. Ich bin gerührt von dieser gewaltigen Hilfsbereitschaft.“, sagt eine Frau, die gerade alles verloren hat: ihr Haus und alles, was an Materiellem darin war. „Ich bin glücklich. Ich habe überlebt. Wir alle haben überlebt.“ [In der Woche nach der Flutkatastrophe in NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen, Mitte Juli 2021]. Anpacken, helfen, Mitgefühl zeigen.

„Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“ sagt Jesus.

In unserer Gesellschaft ist viel Solidarität und viel Mitgefühl zu erleben, viel Hilfsbereitschaft und ernst gemeinte Anteilnahme. Das, was Jesus vorgelebt hat als „Licht der Welt“ ist zum Teil in unsere Gesellschaft eingegangen. Humanes Handeln, gespeist aus christlichem Ethos, begründet in den Geboten und den Worten und Taten Jesu.

„Wenn nun das Salz nicht mehr salz, womit soll man salzen?…Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter.“

Kann Salz seine Eigenschaft, salzig zu sein, verlieren? Mir scheint das unmöglich. Kann eine Stadt, die auf dem Berg liegt, sich verstecken? Das ist unmöglich. Und ein Licht, das unter ein Getreide-Hohlmaß gestellt wird, geht aus. Das Licht unter dem Scheffel gibt es nicht. Das ist ebenso unmöglich. – Das heißt: Wer von Jesus angesprochen wird, in dieser Welt in Gottes Sinne zu wirken, der kann gar nicht anders, als das Christliche sichtbar zu tun. Es geht also um das Sich-Einmischen in die Welt; um die Teilhabe am Leben der Mitmenschen, in den kleinen und großen Nöten ihres Lebens.

Salz hilft nur dort, wo es fehlt. Ein Kerzenlicht entfaltet seine Kraft nicht im gleißenden Sonnenlicht, sondern nur in der Dunkelheit.  

Deshalb geht es darum, in den Dunkelheiten der Menschen anwesend zu sein und zu trösten mit Worten und Taten. Mit der Kraft des Glaubens. Mit der Kraft des Gebets. Deshalb geht es darum, sich der Schöpfung Gottes und ihrer Bewahrung anzunehmen und zu sehen, wie das am geschicktesten gelingt.

Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

„Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“

Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, ist das nicht eine Überforderung?

Ich denke, wir alle leben in einer gewissen Weitsicht und mit einem demokratischen Verantwortungsbewusstsein. Da tun wir doch schon Vieles, was der Aussage entspricht: Licht der Welt zu sein.  Oder die ganz Jungen, die Konfirmandinnen und Konfirmanden: Sie müssen so Vieles bewältigen, so Vieles lernen. Das Leben ist so komplex geworden – Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, ist das nicht eine Überforderung? Wie sollen sie das auch noch machen? Mitarbeitende in der Kirchengemeinde, Kirchenvorstandsmitglieder (vielleicht noch in vielen Ausschüssen),  andere Ehrenamtliche, Küster und Musiker – Sie alle engagieren sich in der Kirchengemeinde. Sie arbeiten daran, das Leben an diesem Ort bekömmlich und wohltuend zu gestalten. Und in der Familie: da ist vielleicht die alt gewordene Mutter, die jetzt mehr Hilfe braucht als noch vor Kurzem. Da ist ein Enkelkind, das vom Großvater immer wieder mal betreut werden muss. Da ist der Ehemann, der sich gerade mit einer Krankheit quält und es ist wichtig, ihm beizustehen. Meint „Licht der Welt zu sein“ mehr?  Aber mehr geht doch gerade nicht, oder?

Ich glaube, es muss nicht mehr sein. Es ist wichtig, dass wir das würdigen, was wir schon alles tun; was ein anderer für uns tut oder für die Menschen in unserer Stadt. Ehrenamtlich oder beruflich. Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus. Nicht: Ihr müsst es noch werden. Ihr seid das Salz der Erde. Das sieht man daran, wie ihr miteinander umgeht. Das sieht man, wenn Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig in der Schule helfen und ihre Familie und ihre Freundinnen und Freunde für sie wirklich wichtig sind und sie für sie da sind. Das sieht man in der Gemeinde an dem großen Engagement von haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Das sieht man, wenn wir als  Christinnen und Christen einem anderen Menschen vergeben. Das sieht man immer da, wo wir einander mit Verantwortung, Wohlwollen und Wertschätzung begegnen. Ihr seid das Salz. Nicht: Ihr müsst es werden. Ihr seid wunderbar gemacht, jede und jeder einzelne von euch. „Lebt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts  ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ (Epheser 5, 8b-9). Lebt, wie es Eurer Taufe entspricht! Amen.

Josef Rheinberger, 1839–1901
Suite op. 166 für Violinenchor und Orgel, 2.. Satz
Susanne Stoodt und ihre Violinklasse
Martin Lücker, Orgel