Dr. Lars Heinemann
Pfarrer an St. Katharinen
Was not tut
Liebe Besucher*innen der Homepage:
Eins aber ist not.“ – so sagt es Jesus gegenüber der Marta. Die hatte ihn in ihr Haus eingeladen, ihn umsorgt, rotiert, wollte dem hohen Gast alles recht machen. Während ihre Schwester Maria bei Jesus saß und einfach nur zuhörte. Gemein, alle Arbeit bleibt an Marta hängen. Doch als sie darum bittet, dass die scheinbar tatenlose Schwester doch auch Hand mit anlegt – da fängt sie sich ebenjenen Satz ein: „Eins aber ist not.“ (Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Verse 38-42, Vers 42)
Der Satz fasziniert mich in einer Welt, die von Ansprüchen nur so wimmelt. Die Steuerberaterin, der Fitnesstrainer, die Zahnärztin – alle möchten sie etwas. Bei allen ist es absolut dringend, dieses oder jenes zu tun. Dagegen beeindruckt das simple, das einfache „Eins tut not“. Es entlastet. Ach, wäre es doch so!
Nur: Was ist dieses „Eine“ eigentlich in der Geschichte?
Oft ist das so verstanden worden, als wäre das Ruhige, Kontemplative der Maria gut – und das Geschäftige, Tätige der Marta schlecht. Tatsächlich sagt Jesus: „Maria hat das gute Teil erwählt.“ (Vers 42)
Aber: Dass die einfach hinhörende Maria das allein gute Teil – oder auch nur das bessere im Gegenüber zur geschäftigen Schwester – gewählt haben soll, das steht da nicht. Ganz im Gegenteil: Jesus wendet sich Marta genauso zu wie Maria, ist an ihr interessiert, behandelt sie mit dem gleichen Respekt. Jesus ist an Marta genauso nahe dran wie an Maria.
Allein Martas Angst, nicht alles richtig zu machen, ihre Zerrissenheit zwischen all‘ den Aufgaben – allein das sieht Jesus kritisch: Sorge Dich nicht, lebe! Ob Du das im stillen Hören auf Gott machst oder im lauten Geschäft des Alltags, das ist gleich. Wichtig ist nur: Bezieh Dich auf Jesus, bezieh Dich auf Gott.
Eins aber ist not.“ – und das ist, dass ich mich auf Gott beziehe. Ihn aufnehme in das Haus meines Lebens. Auf das lausche, was da göttlich ist. Auch immer wieder darum kreise und rotiere. Gott anspreche mit dem, was mir auf dem Herzen liegt – was mich anstrengt, was mich freut.
Am Hören und Lauschen der Maria wird dabei das Entscheidende deutlich. Maria ist ja nicht passiv. Sie hört mit Leib und Seele zu. Wer das echte Zuhören kennt, der weiß: das ist höchst aktiv. Es investiert mich ganz in mein Gegenüber. Im aktiven Hören bin ich beim Anderen, und das allein um des Anderen, der Anderen willen. Dadurch gewinnt mein Gegenüber gleichzeitig Raum in mir.
Für dieses komplexe „Um des Anderen willen beim Anderen sein“ haben wir ein einfaches Wort: Liebe.
Und so ist die Geschichte von Maria und Marta tatsächlich eine Geschichte zum Valentinstag – nur anders, tiefer. Es geht nicht nur um Blumen. Es geht darum, um Gottes willen immer wieder ganz bei Gott zu sein, sich auf ihn auszurichten. Sodass Gott in uns Raum gewinnt. Und wir uns so gott-erfüllt der Welt zuwenden können.
Dabei gilt, noch bevor Marta um Jesus herumrotieren, noch bevor Maria sich ihm lauschend zu Füßen setzen konnte: Vorher schon hatte Jesus die beiden Schwestern angesehen. Vorher schon war er ganz bei ihnen, bei ihren Sorgen, ihren Schwächen, ihren Stärken. Um der Maria in Dir, um der Marta in mir, um der beiden Schwestern in jeder und jedem Einzelnen von uns, willen.
So ist das mit dem, was wir Gottes Liebe nennen.
Bleiben Sie behütet. Amen
Ihr Pfarrer Lars Heinemann