Warum denn bloß Bethlehem?
Wo laufen sie denn, ja, wo laufen sie denn? Die Heiligen Drei Könige, wo laufen sie denn hin? Ei nach Bethlehem natürlich, hin zur Krippe!
Nein, nicht ganz. Nach Jerusalem sind sie gelaufen. Dort ist schließlich die Hauptstadt, dort ist das Machtzentrum. Aber dort fanden sie kein neugeborenes Kind, nur einen überraschten und herrschsüchtigen König Herodes mit seinen Hofschranzen. Und dann, dann sind sie weitergelaufen nach Bethlehem, knapp 9 km weiter südlich und dann endlich im Stall angekommen. Bethlehem, warum Bethlehem? Ein König gehört doch wohl in die Hauptstadt eines Landes und nicht in die Provinz, ins letzte Kuhkaff!
Im Matthäusevangelium leitet die Weisen ein Stern, aber nicht nur das: die Schriftgelehrten am Hofe Herodes weisen den Männern den Weg nach Bethlehem, denn der Prophet Micha hatte 700 Jahre zuvor geweissagt, dass dort ein Herrscher geboren wird. In Bethlehem, diesem unbedeutendes Fleckchen?
Machtpolitisch vielleicht unbedeutend, aber mit großer Geschichte: hier war die Heimat von David, des größten Königs von Israel, hier – so Micha- sollte der neue große König geboren werden. Wo laufen sie denn, ja, wo laufen sie denn hin? Mit dem Wort von Micha im Gepäck laufen die Weisen nach Bethlehem – dorthin, wo schon zuvor die Hirten hingelaufen waren.
Für Micha, aber auch für uns als Christen ist Bethlehem mehr als ein Ort, es ist ein Programm! Es ist der Ort, der – so unbedeutend und klein er ist, von den Mächtigen übersehen- Großes hervorbringt. Bös gesagt: was kann aus Berlin, Rom oder Washington schon Gutes kommen?
Gerade hier in der tiefsten Provinz wendet sich Gott denen zu, die klein und machtlos sind. Nicht verwunderlich, dass die Hirten ohne Probleme den Geburtsort Christi finden, die Weisen aber erst noch mal einer kleinen geographisch/ religiösen Nachhilfe bedürfen.
Gott erwählt das Unscheinbare, Gott erwählt die am Rand Stehenden, so die Botschaft von Micha. Schaut nicht immer auf Jerusalem, schaut auf Bethlehem. Schaut nicht mit schmachtenden Augen auf die Reichen, auf die Mächtigen in Politik und Wirtschaft, auf das ganze Hauptstadtgedöns. Schaut nach Bethlehem. Gott war schon immer unberechenbar, er hält sich nicht an das, was MAN erwartet, an das, was MAN tut, an das, was SCHON IMMER so war.
Für den Propheten Micha hatte die Hauptstadt ausgedient, sie war korrupt, blutleer. Dazu kam: sie lag teilweise in Trümmern vom letzten Krieg gegen die Assyrer. Von dort erwartete Micha nichts mehr. Politikverdrossenheit, das ist wohl das passende Wort, aber nein – es steckt noch mehr dahinter: ändert Eure Blickrichtung, schaut auf das Unscheinbare. Und dieses Unscheinbare ist für Christen der neugeborene Christus, geboren unter ärmlichsten Bedingungen in der hinterletzten Ecke von Bethlehem. All dies Gloria und Hosianna, die Goldengel und reinen Windeln, die kamen später dazu, erst einmal war dort ein nacktes Häufchen Elend mit seiner Mutter, der es nach der Geburt unter diesen Bedingungen wohl auch eher schlecht ging. Aber nun ist er da, er, der Messias, er, der Friedefürst.
An Weihnachten keimte durch die Geburt Jesu eine zarte Hoffnung, dass Frieden auf der Erde wachsen kann. Denn Bethlehem ist überall da, wo Menschen ohne Wohnung oder auf der Flucht eine Chance bekommen, sicher zu wohnen. Wo Angst in Freude, Depression in Hoffnung, Versehrtheit an Leib und Seele in Unversehrtheit und Unfriede in Frieden verwandelt wird.
Und das passiert heute an Weihnachten, aber auch noch morgen. Noch ist diese Hoffnung klein und schwach wie das Kind in der Krippe. Sie muss wachsen. Wachsen, indem wir an ihr festhalten und Momente des Friedens und Momente der Gerechtigkeit sammeln, jeden Tag. Damit die Hoffnung groß wird in unseren Herzen und Sinnen.
Ihnen ein gesegnetes Christfest, Ihr Pfarrer Dr. Olaf Lewerenz