Impuls zum 9. Sonntag nach Trinitatis

Pfarrer
Dr. Lars Heinemann

St. Katharinengemeinde
Frankfurt am Main

Robert Schumann, 18010–1856
Fuge über BACH op 60, Nr. 1
Prof. Martin Lücker, Orgel
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Dafür bin ich zu …

Liebe Besucher*innen der Homepage:

„Dafür bin ich zu alt.“ „Dafür bin ich zu unsportlich.“ „Das kann ich nicht.“ (und vielleicht am schlimmsten) „Dafür bin ich zu dumm.“

Die Situation kennt wohl jeder. Eine Aufgabe, eine Herausforderung steht an. Und man selbst denkt: das kann ich nicht. Dafür bin ich zu … alt, unsportlich, ungebildet, erschöpft, ungeduldig, hässlich, was auch immer.Keine angenehme Situation. An eigene Grenzen erinnert zu werden – oder an vermeintliche eigene Grenzen –, das macht einen klein. Vielleicht beschämt es auch. Jedenfalls ist es nicht schön.

„Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“ – so reagiert Jeremia, einer der ganz großen, der ganz wichtigen Propheten im Alten Testament, als Gott ihn anspricht. Als Gott sagt: Du sollst mir ein Prophet sein, ein Prophet für alle Völker und für alle Welt (Buch Jeremia, Kapitel 1, Verse 5+6).
Jeremia fürchtet sich. Die Aufgabe, der Anspruch – das überfordert ihn. Und er sagt das, was wir alle kennen, so oder so: „Das kann ich nicht, ich bin zu …“ – in seinem Fall: „zu jung“.

Wie reagiert Gott? Auch mit sanftem Druck, das schon. Vor allem aber: mit Zuspruch. Er sagt Jeremia seine Unterstützung zu: „Ich bin bei dir“ und „ich lege meine Worte in deinen Mund“ (Buch Jeremia, Kapitel 1, Verse 8+9).
Gott führt Jeremia zwar an Grenzen. Aber er lässt ihn damit nicht alleine. Er hilft ihm, seine Grenzen zu erweitern. Er möchte den Jeremia nicht als einen, der klein ist, beschämt, unangenehm berührt. Sondern er möchte ihn groß, seiner selbst bewusst, stark. Gott sieht Jeremia größer, als der sich selbst – sodass er wachsen kann, hineinwachsen in das, was er ist und sein soll.

Und so kommt es auch. Wir hören und lesen die Worte Jeremias noch heute, über zwei Jahrtausende später. Der Mann aus dem kleinen Dorf Anatot bei Jerusalem, der sich selbst allzu menschlich als „zu …“ verstand – er wurde tatsächlich in Gottes Namen zum Propheten für alle Völker und alle Welt.
Gott gebe Ihnen Kraft, gerade an Ihren Grenzen. Und – wir haben Corona noch lange nicht überwunden: Bleiben Sie behütet.
Amen

Ihr Pfarrer Dr. Lars Heinemann

Felix Mendelssohn Bartholdy, 1809–1847
Sonate f-moll op. 65, Nr. 1
1. Satz: Allegro moderato e serioso
Prof. Martin Lücker, Orgel

Evangelisch-lutherische St. Katharinengemeinde