Von Tugenden und Erdbeeren, Jan Malte Strijek an der Hauptwache

Erdbeeren in rot, gold und blau. Ranken und Wurzeln mäandern den Laubengang an der Westseite der Katharinenkirche entlang. Ein Kelch prangt in der Mitte. Ein Hingucker ist die Westseite des Bauzauns an der Katharinenkirche geworden. Jan Malte Strijek hat diesen Abschnitt zu einem bunten Panoptikum des Lebens gestaltet.

Er lässt ein Gestrüpp aus Wurzelwerk oder Ranken durch den Gang wuchern, mal abgebrochen, mal eine Kurve nehmend. Etwas chaotisch – so wie unser Leben. Dazwischen fügt er Sechsecke ein, die an die Medaillons unserer Kirchenfenster erinnern. Dort finden sich kleine Embleme der aristotelischen Tugenden. Und dann schmückt er das Rankwerk mit Erdbeeren, rot, blau, golden. Thematisch lehnt er sich mit seinem Bild an die christlichen Tugenden an: Glaube, Hoffnung, Liebe. Liebe wird durch rot, Glaube durch gelb und Hoffnung durch blau symbolisiert. Für den Glauben steht der Kelch in der Mitte des Bildes direkt am Eingang der Kirche. Eine Einladung in die Kirche zu kommen und evtl. sogar am Abendmahl teilzunehmen. Daneben die Taube in blau und ein rotes Herz.

Und all diese Farben finden sich auch in den Erdbeeren wieder. Statt der Weintrauben, die wir an Reben erwarten, hat Jan Malte Strijek Erdbeeren als Abbild der christlichen Tugenden gewählt. Die Erdbeere, ein altes christliches Symbol für Bescheidenheit, hier neu und bunt gestaltet. Kein Paradiesbild, in dem nicht Erdbeeren wachsen. Schon in vorchristlicher Zeit galt die Erdbeere als ein Symbol für das goldene Zeitalter. Diese Vorstellung wurde von den Christen übernommen und als Vorgeschmack auf das Reich Gottes wurden Erdbeeren auf Gräber gepflanzt. Hier nun Erdbeeren als Früchte von Glaube, Liebe, Hoffnung. Das versuchen wir zu leben, danach sehnen wir uns.

Zugleich haben die Erdbeeren von Jan Malte Strijek etwas Erotisch-Verführerisches. Prall, bunt hängen sie an der Hauptwache. Sie machen Lust auf Leben, auf pralles Leben in Fülle. Durch die farbliche Verfremdung werden sie zum Hingucker. So bunt und schräg wie die Erdbeeren geht es auf der Hauptwache zu. Und unsere Kirche steht dort mittendrin. Sie hält die Sehnsucht nach einem Leben in Fülle wach, einem Leben, in dem Glaube, Liebe, Hoffnung sich widerspiegeln und jedes Individuum so sein darf wie es ist, bunt und geliebt von Gott.

Für die nächsten anderthalb Jahre müssen wir mit einem Bauzaun um die Katharinenkirche leben, dann wird die Kirche in neuem Glanz erstrahlen. Bis dahin können wir uns von den bunten Früchten von Jan Malte Strijek locken und verführen lassen.

Ihr Pfarrer Dr. Olaf Lewerenz

 

Evangelisch-lutherische St. Katharinengemeinde