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Impuls zum Sonntag Jubilate

Suche nach Kraft und Leben – Predigttext: Johannes 15, 1-8

Dr. Olaf Lewerenz

Stadtkirchenpfarrer
Dr. Olaf Lewerenz
St. Katharinengemeinde
Frankfurt am Main

Joh. Seb. Bach „Liebster Jesu, wir sind hier“ BWV 731
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Immer noch kein „richtiger“ Gottesdienst! So professionell manche Fernsehübertragung daherkommt, so kreativ manche Internetgottesdienste auch sind, für mich ist das alles doch nur ein Notbehelf. Zunehmend fühle ich mich vertrocknet, abgeschnitten vom richtigen Leben – nicht nur beim Gottesdienstfeiern, auch bei der sonstigen Kommunikation oder beim Genuss von einem Cappuccino auf dem Stoltzeplatz! Wie der Garten, der nun schon seit 6 Wochen nach Wasser dürstet und wo ohne Bewässerung die Erdbeeren oder die Radieschen verkümmern.

Im Johannesevangelium im 15. Kapitel sagt Jesus: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Dieses „Ich-bin-Wort“ Jesu leuchtet unmittelbar ein: da ist der Weinstock, er versorgt die Reben mit Wasser und Mineralien, er legt den Grundstock für einen guten Wein. Von ihm zehren wir, von ihm bekommen wir den Saft und die Kraft zum Leben, unsere Süße. Das, was Jesus in diesem Bild ausführt, ist jedem Winzer bekannt, leuchtet aber genauso jedem landwirtschaftlich unbelecktem Weintrinker ein.

Wenn wir mit Christus verbunden sind, dann bekommen wir von ihm Kraft zum Leben, dann bringen wir süße Frucht, dann leben wir seine Botschaft. Von dieser Kraft fühle ich mich in den letzten Wochen manchmal abgeschnitten. Seit einer Woche ist unsere Kirche wieder offen, nächste Woche fangen die Gottesdienste wieder an, hoffentlich bald auch andere Veranstaltungen, damit ich Hoffnung und Leben tanken kann. Ich weiß, eine Kirche ist nach evangelischem Verständnis nichts Besonderes, Bibel lesen kann ich überall, Beten auch, aber trotzdem: hier ist für mich eine Kraftquelle, ein sichtbares Zeichen, dass ich, dass wir mit Christus verbunden sind.

Glaube braucht Orte, Weinstöcke, Kraftquellen, aus denen wir schöpfen können. Wo und was diese Kraftquellen sind, das ist sicher individuell sehr unterschiedlich. Meinen Saft und meinen Glauben, den sauge ich aus der Botschaft Gottes an uns Menschen, aus dem Wahrnehmen der Schöpfung Gottes. Aber für meinen Auftrag, in der Welt Gottes Liebe zu leben, da brauche ich Orte, an denen ich auftanken kann und Mitmenschen.

Gerade in dieser Zeit des Zweifels braucht mein Glaube Nahrung. Sitzt Gott im Regiment einer Welt, die von Schönheit und Leid, von Zuversicht und Entsetzen geprägt ist? Kann ich an Gott festhalten, wenn die alten Sicherheiten mir abhandenkommen und ich mit einem Mal merke, dass unser Leben fragil, unsicher ist?

„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Als die Reblaus Mitte des 19. Jahrhunderts nach Europa kam, vernichtete sie viele Weinstöcke, ganze Weinbaugebiete. Erst langsam gelang es durch Züchtungen und Pfropfen resistente Weinstöcke zu pflanzen. Da brauchte es Weingärtner, die nicht aufgaben, sondern ihre Weinstöcke schützten. Dies ist Gottes Aufgabe: er schützt uns vor Anfechtung und Krankheit. Er ist meine Adresse für Klage und meine Hoffnung auf Leben, auch wenn ich sterben muss.

Das Bildwort vom Weinstock und den Reben steht im Johannesevangelium im Kontext der Passion. Jesus gibt uns Saft, auch wenn es manchmal bitterer Trank ist. Er gab das Abendmahl als süßen Trost in der Nacht, in der er seinen Mördern ausgeliefert wurde. Wir bekommen von Gott nicht nur Milch zu trinken, wir bekommen auch die bittere Realität und das Entsetzen geliefert: die Bilder von den Kühlwagen vor den Krankenhäusern in New York oder die Schlange der Krankenwagen vor den Kliniken in Moskau, meine Angst um meine Existenz, meine Zukunft, mein Leben. Doch Gott versorgt mich auch noch am Kreuz mit Wasser, Mineralien und Sonne, dass ich reifen kann und guten Wein hervorbringen.

Aus dem Triumphkreuz im Schweriner Dom wachsen Weinreben und Blätter. Glauben heißt hoffen, manchmal auch gegen die Realität. Glauben heißt Leben von Ostern her. Gott hat uns verheißen, dass wir, wenn wir bei aller Anfechtung am Glauben festhalten, am Weinstock bleiben und gute Früchte hervorbringen. Und mit dem Wein die Herzen der Menschen berühren und erfreuen. Er ist der Weinstock, wir sind die Reben. Gott schenkt uns Kraft und Saft für all das, was wir im Leben und im Sterben bewältigen müssen, Amen.

Bleiben Sie behütet, Ihr Pfr. Dr. Olaf Lewerenz

Joh. Seb. Bach „Präludium G-Dur BWV 568
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Hier können Sie die ausführliche Predigt lesen.