Impuls zum 3. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Olaf Lewerenz

Stadtkirchenpfarrer
Dr. Olaf Lewerenz
St. Katharinengemeinde
Frankfurt am Main

Dieterich Buxtehude, 1637–1707
„Präludium C-Dur BuxWV 137“
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Ist Gott ein Elefant?

Elefanten vergessen angeblich nicht. Und Gott?

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! So der Prophet Micha, Kapitel 7, 18.

Gott vergibt die Sünde und erlässt die Schuld! Mögen sich in der Zeit Michas die Gottheiten der Assyrer auch als stärker erwiesen haben: einen Gott, der die Sünden vergibt, den gab es nur in Israel.

Das heißt nicht, dass es keine Sünde gibt. Wir setzen uns an die Stelle Gottes, vertrauen nicht auf seine Macht, sondern auf unsere Macht oder Intelligenz. Seit dem Turmbau zu Babel bis hin zur Kernenergie und zur Gentechnik meinen wir, mit unserem Wissen und Vermögen können wir die Erde beherrschen.

Und Schuld ist das, was sich aus unserem Denken und Tun so alles angesammelt hat: in welch erschreckendem Maß haben wir die Natur und unsere Mitgeschöpfe zerstört, beseitigt, verzweckt. Hass und Rassismus prägen nicht nur die USA. Und die Folgen dieses Lebens zeigen sich individuell und überall auf unserer Welt.

Doch Gott hält nicht an seinem Zorn fest, denn er hat Gefallen an Gnade. Gott will vergeben, er will uns verirrte Schafe, uns verlorene Goldstücke wieder in die Gemeinschaft zurückbringen. Denn Gott ist ein Gott der Gnade! Er kann nicht ewig zürnen, denn er ist ein menschenfreundlicher Gott.

Nicht nur Schwache sollen sich von der Großmut Gottes angesprochen fühlen, auch Mächtige sollen einen Gott spüren, der gerne gnädig ist. Recht und Gnade sind dann nicht mehr zwei Gegensätze, sondern ein Geschehen, bei dem aus gnädigem Vergeben ein neues Recht und neue Beziehungen zwischen Menschen und zur Natur geschaffen werden.

Ist Gott ein Elefant?

Leid ist bei ihm aufgehoben, Verletzungen sind nicht vergessen, aber er schließt auch die wieder in die Arme, die sich ihrer Sünden und ihrer Schuld stellen und auf sein Erbarmen hoffen. Als Heinrich Heine kurz vor seinem Tod gefragt wurde, wie er mit Gott stehe, soll dieser geantwortet haben: „Gott wird mir vergeben, das ist ja sein Beruf.“

In diesem Sinn: Vertrauen Sie auf Gottes Gnade!

Johann Sebastian Bach, 1685-1750
„Fuge g-moll BWV 578“
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen