Karfreitag – 10. April 2020 St. Katharinen Frankfurt am Main
Jesus starb den Tod am Kreuz. Dieses Schicksal eines grausamen Todes wiederholt sich in der Menschheitsgeschichte immer und immer wieder. Oft ist es ein einsames Sterben. An Karfreitag versammeln wir uns alle unter den Kreuzen dieser Welt und unter unseren eigenen.
Heute, angesichts der Corona-Pandemie sterben Menschen ohne familiäre oder seelsorgliche Begleitung. Vielleicht spricht eine Pflegerin am Sterbebett ein flehentliches Stoßgebet. Vielleicht sterben die Menschen sogar ohne medizinische Hilfe unter den ärmsten der Armen in Slums, in den Kriegsgebieten und überfüllten Flüchtlingslagern. Jesus wähnte sich gar von Gott verlassen. Und doch sprach er auch den Gedanken aus: „In deine Hände, Gott, befehle ich mein Leben.“ Beides fühlte er. Die Einsamkeit des Todes und das Gehalten-Sein in Gott. Wer glaubt, ist nicht allein.
Wir stehen in Deutschland vor einer großen Herausforderung: Leben zu schützen und zu retten, indem wir solidarisch und rücksichtsvoll mit den besonders zu Schützenden sind. Das fordert, dass wir das Leben vor wirtschaftliche Aspekte stellen und dennoch mit Augenmaß die Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens in Angriff nehmen müssen. Auf unser Miteinander und Füreinander kommt es in diesen Wochen in besonderem Maße an.
Jesus gibt sich selbst als Vorbild für ein Leben, das im Miteinander und Füreinander glückt. Seine Mutter und seinen Lieblingsjünger führte er mit seinem Wort am Kreuz zusammen: dass sie füreinander da sind, füreinander sorgen. Jung für alt und alt für jung.
Dorothee Sölle nannte es das Glück Jesu, dass er die Kraft für seinen Weg ans Kreuz nicht aus einer negativen Energie der Opferhaltung und Selbstaufgabe gewann, sondern aus der kreativen Fantasie der Selbsthingabe – wie vorher in seinem ganzen öffentlichen Handeln. Er könne das Vorbild glückenden Lebens sein: Jesus erscheint in den Evangelien als ein Mensch, der seine Umgebung mit Glück ansteckte, der seine Kraft weitergab, der verschenkte, was er hatte; der tat, was er dank seiner Gottesliebe, konnte. Das konventionelle Bild von Jesus hat immer seinen Gehorsam und seinen Opfersinn in den Vordergrund gestellt. Aber Fantasie, die aus Glück – aus den Seligpreisungen seiner Bergpredigt – geboren wird, scheint mir eine genauere Beschreibung seines Lebens. Sogar sein Tod wäre missdeutet als das tragische Scheitern eines Glücklosen. Jesus wäre zu kurz verstanden, wenn nicht die Möglichkeit der Auferstehung in Jesus selber festgehalten würde! Auferstehung, als die weitergehende Wahrheit der Sache Jesu, ist im Tode dieses Menschen gegenwärtig: Er hat den Satz „Ich bin das Leben“ (Joh 14,6)auch im Sterben nicht zurückgenommen. Von Christus ist zu lernen: Je glücklicher – im Sinne der jesuanischen Seligpreisungen – einer ist, umso leichter kann er loslassen; sich „hingeben“ für das gute Leben für alle. Je glücklicher eine ist, umso leichter kann sie geben für ein gelingendes Miteinander und Füreinander. Beten wir füreinander. Selbst sterbend betete Jesus für die Menschen, die ihn töteten. Trösten wir einander durch Telefonate oder Briefe oder andere Formen der Nähe und Zuwendung, auch ohne körperlichen Kontakt. Schaffen wir finanzielle Hilfen z.B. durch Spenden, wenn Kollekten wegfallen. Handeln wir füreinander in Rücksicht, Solidarität und mit Verantwortung. Geben wir aufeinander Acht!
Einen gesegneten, nachdenklichen Karfreitag wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin
Gita Leber
hier können Sie die ausführliche Predigt lesen