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Impuls zum 15. Sonntag nach Triinitatis

Dr. Olaf Lewerenz

Dr. Olaf Lewerenz

Pfarrer für Stadtkirchenarbeit
an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685 – 1750
Präludium in G-Dur BWV 541
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
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Sorgt nicht für morgen

25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? … 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Aus: Matthäus 6

Sorgt nicht um Euer Leben! Mit diesen Worten aus der Bergpredigt durchkreuzt Jesus unser „um zu“, unser „damit“. Meine Mentalität ist es doch, ständig „damit“, „und dann“ zu denken: ich schließe eine Lebensversicherung oder eine Zusatzrente ab, damit ich dann im Alter abgesichert bin. Ich arbeite jetzt mehr, damit ich später weniger arbeiten kann. Ich muss jetzt dafür sorgen, dass ich dann … muss ich das? Riesterrente und Zusatzversicherungen sagen ja, mein Verstand auch: was ist, wenn die Rente doch nicht sicher ist?

Jesu Apell an uns klingt ziemlich naiv: Wenn ich keine Vorräte anlege, wer soll mich dann durchfüttern? Wenn ich nicht in der Zeit spare, was habe ich dann in der Not? Ich muss mich doch sorgen um meine Gesundheit, um die Kinder, die Eltern, das Haus, den Garten, mein Gewicht, mein… Natürlich ist mein Leben mehr als Essen und Trinken, natürlich kann ich mein Leben mit allem Sorgen nicht verlängern, aber man muss doch, und gerade heutzutage… Muss man? Hier sagt Jesus: Halt, Stopp! 

Alles, was wir tun, sind doch nur hilflose Versuche unser Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Und gerade das kann nicht gelingen: eine Diagnose beim Arzt, ein Schicksalsschlag und das ganze Kartenhaus meiner eigenen Existenz stürzt ein. Keine und keiner kann ihr Leben verlängern – bei aller Sorge. Wir haben doch die letzten anderthalb Jahre erlebt, wie alle Selbstverständlichkeiten mit einem Mal weg waren.

Und dennoch: ich kann mein Sorgen nicht abschalten. Vielleicht versuchen es im Urlaub auszublenden, aber abschalten? Im Paradies, Adam und Eva, sie wussten noch nichts vom Sorgen, aber wir haben vom Baum der Erkenntnis gegessen. Daher gehört unser Sorgen, unser Versuch, Vorräte und Schätze anzusammeln zu uns dazu.

Doch wir sind nicht Gott: all unser Sorgen kann uns letztendlich nicht bewahren, das kann nur das Vertrauen auf Gott. Das Vertrauen, dass er uns leben lässt in seiner Gnade. In der Bergpredigt gibt Jesus uns einen Ruck, nicht beim Sorgen zu verharren und darüber das Leben im Hier und Jetzt zu verdrängen. Vergewissere dich deines Lebens, versuche dein Leben auszubalancieren, so sein Apell. Verkrampfe dich nicht beim Versuch, alle Fäden immer in der Hand zu halten. Vertraue auf die Liebe Gottes. Kläre in der Zeit, was wirklich wichtig ist, dann kannst du hoffen, davon in der Not zu leben.

In der Bergpredigt zeigt Jesus sich radikal. „Trefft keine Vorsorge“, sagt er einem Publikum aus Kleinbauern und Handwerkern, die hoffen, mit ihren kärglichen Vorräten einigermaßen über den Winter zu kommen. Das sagt er Tagelöhnern, die gerade so das Essen für einen Tag für ihre Familie verdienen. Jesus sollte doch besser seine Zuhörer ermutigen, Vorsorge zu betreiben, Kooperativen zu gründen, Gewerkschaften.

Nein! Denn Sorgen haben die Leute, die die Bergpredigt gehört haben, genug. Jesus will ihnen einen Horizont auftun: Öffnet eure Augen, schaut euch um! Erhebt euch und seht die Blumen und die Vögel. Malochen ist nicht das ganze Leben: Gott sorgt sich um Euch, er vergisst euch nicht! Damit bringt Jesus das Leben derjenigen, die ihm zuhörten, wieder in ein Gleichgewicht. Haltet inne, schaut Euch um, überlegt, was ihr wirklich im Leben braucht. Und schaut, was ihr heute braucht! Mach nicht den zweiten Schritt nach dem ersten. Schau auf das, was du heute tun musst.

Wir leben aus der Barmherzigkeit Gottes, in diesem Zutrauen können wir unser Leben führen, aufrecht und mit Gelassenheit … und damit können wir uns unserem Alltag zuwenden. Unsere Arbeit und unser Leben ins rechte Maß zu setzen und unsere Augen zu öffnen für das, was der heutige Tag von uns fordert, Amen.

Johann Sebastian Bach, 1685 – 1750
Fuge in G-Dur BWV 541
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen