Impuls zum 18. Sonntag nach Trinitatis

Dr. Olaf Lewerenz

Dr. Olaf Lewerenz
Stadtkirchenpfarrer
an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685 1750
 „Dies sind die Heiligen 10 Gebot“ Choralbearbeitung 635
Prof. Martin Lücker an der Orgel in Marienmünster
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Es gibt nichts Gutes – außer man tut es

Wen soll ich eigentlich unterstützen? Den Mann, der auf dem Liebfrauenberg steht und unaufhörlich sagt: „Eine kleine Spende für einen Obdachlosen.“ Oder besser unser Diakoniezentrum Weser 5? Oder besser Projekte gegen den Klimawandel, Entwicklungsprojekte in anderen Ländern, lokale Initiativen? Von allem ein bisschen? Da finde ich keine überzeugende Antwort – und egal, wie viel ich gebe: mein schlechtes Gewissen geht nie ganz weg.

„Du sollst Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst.“ So fasst Jesus die Weisung Gottes an uns zusammen. Ja, das will ich… aber das ist schwieriger umzusetzen als es klingt.

Gottes Wort, seine Botschaft ist nicht weit weg von uns und unserem Alltag. Sie sind nicht fern, sie sind nicht abstrakt. Jede*r von uns wird die Richtigkeit und Wichtigkeit der 10 Gebote bestätigen, mit kleinen Abstufungen vielleicht, aber immerhin: Nicht töten, nicht falsch Zeugnis reden, nicht ehebrechen. Das wollen, das sollen wir. Und dennoch handeln wir im Alltag oft anders.

Unzählige Propheten haben Ungerechtigkeit, Bereicherung, Unterdrückung von Armen und Schwachen angeprangert, passiert ist nichts, seit 3.000 Jahren. Na gut, nichts ist vielleicht nicht ganz richtig. Aber Gerechtigkeit gibt es nicht bei uns, nirgends auf der Welt. Die Schere zwischen arm und reich, sie klafft immer weiter auseinander, durch Corona wird sich dies eher noch verschärfen. Im Munde, ja da führen gerne alle Politiker*innen, Kirchenleute und Manager*innen Worte von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit, aber in ihrem Herzen sind die Worte nicht angesiedelt.

Nach Amartya Sen, dem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2020 geht es bei der Frage der Gerechtigkeit nicht nur um eine Verteilungsgerechtigkeit, sondern um Beteiligungs- und Zugangsgerechtigkeit. Selbst wenn ich viel Geld verteile, an Obdachlose, an gesellschaftlich Benachteiligte, an Initiativen in Entwicklungsländern, dann genügt das nicht. Erst, wenn ich ihnen einen fairen Platz in unserer Stadt, auf unserer Welt einräume, kann unsere Welt gerechter werden. Aber davon sind wir weit entfernt, auch ich. Denn das heißt, ich muss meine Privilegien und meine gesellschaftlichen Ressourcen teilen und das heißt, den Kuchen neu aufteilen.

Ich vermute ich werde wie der reiche Jüngling aus dem Markusevangelium (Kap. 10) traurig davongehen, denn auch ich habe Geld und darüber hinaus viele Privilegien und Güter. Ob ich mich von Gott anrühren lasse, über meine Ängstlichkeit und mein enges Denken und Handeln zu springen? Wenigstens ab und zu? Ich hoffe es!
Amen.


Johann Sebastian Bach, 1685 1750
 „Dies sind die Heiligen 10 Gebot“ Choralbearbeitung 678
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen