Impuls zum letzten Sonntag nach Epiphanias

Dr. Gita Leber
Pfarrerin an St. Katharinen

Josef Rheinberger, 1839–1901
Cantilene aus: Orgelsonate Nr. 11 op. 148
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen


Predigttext: 2. Petr 1, 16-19
16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.

Liebe Gemeinde,

wie geht es Ihnen mit Erinnerungen? Haben Sie ein gutes Gedächtnis? Oder wollen Ihnen manchmal Ereignisse der Vergangenheit einfach nicht mehr einfallen? An manche Dinge wollen wir uns auch gar nicht erinnern. Anderes hat sich so tief in unser Gedächtnis eingegraben. Wir haben schon oft davon erzählt und es immer wiederholt, so dass es jetzt erscheint, als wäre es gestern erst geschehen. Und es ist schön, sich so zu erinnern. Denn das wunderbare Ereignis hat unser Leben bereichert, uns voran gebracht, es erhellt. Wie ein Licht in dunkler Zeit.

Von einem Licht in dunkler Zeit spricht auch Petrus. Für ihn ist es wichtig, lebensnotwendig, an ein Ereignis zu erinnern, das nicht vergessen werden darf, das sich allen in ihr Gedächtnis einlagern soll, das sich in alle Herzen hinein pflanzen soll, weil es Trost und Hoffnung gibt, aller Welt.

Petrus spricht von Christus. Dass Christus das Licht der Welt ist. Dass Christus, der nicht mehr sichtbar und greifbar als Mensch unter uns Menschen zu finden ist, nun aber als Licht DA IST, als Licht, als Hoffnung, als Zuversicht und Liebe unter den Menschen, die einander in Liebe begegnen. Dass Christus DA IST als ein Licht, wo Frieden geschlossen wird, wo Wohltaten praktiziert werden. Dass Christus da ist, wo inmitten von Leid und Traurigkeit, Menschen aufgerichtet werden und ihnen ein Weg ausgeleuchtet wird. Petrus spricht davon, weil ihn diese Botschaft vom Licht Christi tröstet, trägt, zum Handeln ermutigt, ihn würdigt als Mensch unter unwürdigen Lebensumständen. Petrus erkennt, dass diese Christus-Botschaft, dieses Licht den Menschen eine Herzensangelegenheit sein sollte. Er vergleicht Christus mit dem hellen Morgenstern und diesen will er aufgehen sehen in den Herzen der Menschen. Er glaubt daran, dass Christus, einmal wiederkommen werde, mit Kraft und Macht und Herrlichkeit. Für die Zwischenzeit sind es wir, die Christinnen und Christen, die das Licht in die Welt tragen, täglich neu Licht und Liebe verbreiten und aus der Kraft Gottes leben.

Petrus lebt in einer Zeit, in der das Gedächtnis der Christen nachlässt, die Erinnerungen an die Zeit mit Jesus, dem Christus, allmählich verblasst. Deshalb schreibt er auf, was ihm wichtig ist und er nennt sich „Petrus“, gibt seinen Worten die Autorität des Apostels Petrus, des Felsens, wie Jesus seinen Jünger nannte. Unser Briefschreiber selbst lebt schon längst in einem anderen Jahrhundert.  Aber er leiht sich den Namen Petri, um seinen Worten Gewicht zu verleihen. Petrus hilft den Christinnen und Christen, sich an Jesus zu erinnern.  Und er macht auch deutlich, dass er und die anderen keineswegs irgendwelchen „Märchen“ erlägen seien.

„Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.“ Petrus muss das Evangelium gegenüber kritischen und zweifelnden Anfragen verteidigen. Er sagt, unser Glaube hat einen geschichtlichen Grund. Das, woran wir glauben, geht auf Augenzeugen – wie Petrus – zurück und auf deren Erfahrungen mit Jesus, den Gott als seinen Sohn ausgewiesen hat: „Dies ist mein lieber Sohn“.

Jesus hatte ihnen einst das Wort Gottes ausgelegt und sie erkannten daraufhin Gottes Herrlichkeit und Kraft.

Petrus rühmt Gott. Petrus rühmt Gottes Sohn. Er rühmt Gott wie wir es in jedem Vater-unser-Gebet tun: Er rühmt das Licht, die Kraft, die Herrlichkeit, den hellen Morgenstern; wir rühmen Gott mit den Worten: „Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit.“

Dieser Lobpreis gibt Ausblick auf das Ziel, das Gott uns vorhält, einen Ausblick auf die Ewigkeit in seiner Gegenwart. In der Ewigkeit gibt es keine Trennung mehr von Gott, da gibt es keinen Grund zu klagen und zu verzweifeln, sondern endlich nur Grund zur Freude und zum Loben. Dieser Durchblick auf den Grund, dieser Vorausblick in die Zukunft wird im Gottesdienst, im Abendmahl, im Singen und Beten des Vater unser zeichenhaft getan. Was in der Ewigkeit geschehen wird, wie immer das auch aussehen wird, das tut die Kirche, in ihren verschiedenen Konfessionen, auf Erden schon jetzt. – Ungeachtet der Perversionen, zu denen die Konfessionen die Religion zu entstellen in der Lage sind. Für einen Augenblick kann man schmecken und sehen wie herrlich Gott sich erweisen wird. Im Gottesdienst fühlen wir für ein paar Augenblicke so, als wäre die Ewigkeit schon da. Aber nicht nur hier – es gibt die Momente, wo wir – wie Petrus auf dem Berg Tabor sprechen wollen: „Hier ist gut sein!“ (s. Ev.!) Es gibt die Momente, wo wir fühlen, wie das Bekenntnis zu Gottes Herrlichkeit und Kraft uns geheimnisvoll stärken und innerlich – auch angesichts von menschlichem Leid und menschlicher Schuld – heilen.

Unsere Erinnerung lebt von der Wiederholung von Ereignissen und von Sätzen, die uns prägen, die uns tragen und stärken, zum Guten stärken und zur Hoffnung. Deshalb wiederholen wir immer wieder das Lob Gottes: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“. Wir sagen damit: Gott gehört die Macht. Die letzte und wahre Macht, die wir anerkennen – und wir erkennen sie an, wenn wir so beten. Gottes Macht der Liebe übersteigt alle politische und wirtschaftliche Macht, alle Gewalt über Leben und Tod; Gottes Kraft und Herrlichkeit ist größer als alle Kräfte, die uns bedrohen.

Im Bekenntnis zu Gott und seinem Christus, dem hellen Morgenstern, bauen wir eine tiefe Gottesbeziehung auf, eine tiefe Beziehung zu seiner Macht der Liebe und Gnade. Von ihm bekommen wir neue Kraft -für den heutigen Tag und für das, was wir uns für das neue Jahr 2021 vorgenommen haben und auch für das, was uns schicksalhaft überkommen wird. Neue Kraft, die uns über Höhen und Tiefen tragen kann. Kraft, die nicht zerstören will, sondern aufbauen, die heilen und helfen kann und will. Vom hellen Morgenstern her bekommen wir Kraft, die wir zum Leben brauchen. Kraft, die anders ist, als das tägliche Spiel der Kräfte. Kraft, Preis und Ehre für unser Leben, Lebenskraft (von Gott geschenkt) für uns selbst und zum Teilen mit anderen; Licht, das in die dunkelsten Orte hinein scheint.
Amen.

Oskar Frederik Lindberg, 1877–1955
Gammal fäbodpsalm fran Dålarna
Alter Sennhüttenpsalm aus Dålarna
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Kathainen