Impuls zum Sonntag Lätare

Dr. Lars Heinemann

Pfarrer an St. Katharinen

Johann Sebastian Bach, 1685–1750
Adagio ma non tanto aus der Sonate E-Dur BWV 1035
Sebastian Wittiber, Flöte – Martin Lücker Orgel

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Liebe wächst wie Weizen

Liebe Besucher*innen der Homepage:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ – so hatten sich die Griechen das wohl nicht vorgestellt. Von weit her waren sie angereist, aus Interesse und Sympathie für die jüdische Religion, zum Pessach-Fest. Waren dann wohl irgendwie auf diesen Jesus aufmerksam geworden, der als Wundermann galt, vielleicht sogar der kommende Messias? Hatten sich vorgefragt mit ihrem Wunsch, ihn zu sehen. Und dann das: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes-Evangelium, Kapitel 12, Verse 20-24, Vers 24)

Das ist nicht toll und herrlich, wie die Griechen es wahrscheinlich erwartet hatten. Kein Wort vom großen und allmächtigen Gott. Stattdessen eines, in dem es um den Tod geht. Um ein kleines Korn, das sterben muss. Damit neues Leben wachsen kann.

Auch mich irritiert Jesu Wort auf den ersten Blick. An den Tod möchte ich nicht denken, wahrscheinlich niemand von uns, so lange wir gesund sind.

Doch wenn ich mich darauf einlasse, verstehe ich: Nur wenn etwas, ein Teil von mir, stirbt, kann Neues werden. So schmerzhaft es sein kann, das Alte loszulassen, das Korn tatsächlich auszusäen – nur so öffnet sich das Leben, nach vorne. Eine tiefe Lebensweisheit, eigentlich tagtäglich erlebt. Das also meint Jesus mit seinem Wort vom Weizenkorn.

Und noch mehr. Das Wochenlied Korn, das in die Erde, das sich auf jenes Wort Jesu bezieht, dichtet als Refrain: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün (Evangelisches Gesangbuch, Lied 98). Tatsächlich ist es Gottes Liebe, für die das Weizenkorn steht. Die wächst, durch den Tod hindurch.

Oder vielleicht besser: Gott ändert sich, durch den Tod hindurch. Er wird – in Christus, im Kreuz – wirklich ein Anderer. Er kommt nahe. Ist ganz bei uns – denn das meint das ja, „Liebe“: Um des Anderen willen beim Anderen sein. Also: Um Deines und meines Todes, um Deiner und meiner Schwäche willen – darum geht auch Gott ans Kreuz und in den Tod. Er erstirbt, wie das Weizenkorn. Um neu zu grünen, durch den Tod hindurch. Für mich und für Dich.

Die Griechen hatten wohl einen anderen Gott erwartet, majestätisch und allmächtig. Ich kenne diesen Wunsch nur zu gut. Möge Gott sich doch bitte einfach als Gott zeigen – das Leid abschaffen, die Pandemie beenden, zumindest meine Gebetswünsche erfüllen, am besten hier und jetzt.

Das Wort vom Weizenkorn erinnert mich daran, dass unser Gott so nicht ist. Seine Macht ist nicht einfach einfach, sondern anders, indirekt. Sie geht durch Schwäche und Tod, und nur durch Schwäche und Tod hindurch. Seine Kraft ist da mächtig, wo wir schwach sind. Seine Herrlichkeit hebt mich auf, wo ich am Boden liege. Seine Liebe ist berührt von dem Tod, den jeder und jede von uns sterben muss – gerade deswegen kann sie ein Anderes, ein Neues Leben geben.

Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Bleiben Sie behütet. Amen

Ihr Pfarrer Lars Heinemann

Johann Sebastian Bach, 1685–1750
Siciliano aus der Sonate Es-Dur BNWV 1030
Sebastian Wittiber, Flöte – Martin Lücker Orgel