Impuls zum Osterfest

Dr. Olaf Lewerenz
Stadtkirchenpfarrer Dr. Olaf Lewerenz
Johann Sebastian Bach
Präludium G-Dur BWV 568
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen
 

Fürchtet Euch nicht, Jesus lebt

 „Fürchtet Euch nicht“ sagt der Engel Gabriel an Weihnachten den Hirten auf den Feldern. Als die Frauen an Ostermorgen zum Grab von Jesus gehen, sagt wieder eine Gestalt „fürchtet euch nicht.“

An Weihnachten eilten die Hirten zum Stall und erzählten anschließend allen, die sie trafen -ob die das hören wollten oder nicht-, dass Jesus geboren ist. Am Grab von Jesus wird den Frauen gesagt: „geht hin und erzählt, dass Jesus nicht im Grab liegt!“ Aber die Frauen haben Angst und sagen niemandem etwas von ihrer Begegnung mit dem Engel, mit dem Jüngling. Ich könnte jetzt etwas augenzwinkernd hinzusetzen: kaum vorstellbar, dass Frauen nichts davon erzähl haben! Aber das Ganze ist nicht lustig, noch nicht lustig. Zittern und Entsetzen hatte die Frauen ergriffen, ein Schock war das Ganze für sie.

Jesu Leben auf Erden beginnt mit der Aufforderung „fürchtet euch nicht“ und es endet mit der Aufforderung „fürchtet euch nicht.“ Während die Freude an Weihnachten aber überschwänglich geschildert wird, ist davon am Ostermorgen nichts zu hören. Dabei hätte es doch noch mehr Grund als an Weihnachten gegeben. Zeigt sich doch hier am leeren Grab, dass Jesus auferstanden ist, dass das Leben den Tod besiegt hat. Wenn das kein Grund zur Freude ist!

Die Frauen am Grab waren in tiefer Trauer, schwarze lange Gewänder, geschlafen hatten sie wahrscheinlich auch nicht viel. Erst eine Woche war es her, dass Jesus, begleitet von einer jubelnden Menge, nach Jerusalem einzog. Jetzt ist er tot, gekreuzigt, als Verbrecher getötet, alle Hoffnung mit ihm begraben. Sie stehen vor seinem Grab. Und dann? Dann ist der Stein weg. Das Grab geschändet? Jesus gestohlen? Zur Trauer kommt der Schock, nur durch eine Nebelwand nehmen die Frauen alles wahr.

Und dann ist da ein junger Mann. Wer ist dieser Jüngling, was ist dieser Jüngling? Ein Engel, was soll es denn sonst sein? Aber warum steht das denn dort nicht? In der Weihnachtsgeschichte steht das doch auch da!

Die Sonne geht auf, im Grab sitzt ein Jüngling in langem strahlend weißem Gewand – Zeichen der Hoffnung, Botschaft des Himmels. Allein den Frauen fehlt der Glaube, allein den Frauen fehlt die Hoffnung.

Die Frauen haben Angst, sie verstummen. Sie wissen nicht, was passiert, sie wissen nicht, was sie sagen sollen. Und das ist Ostern, genau das! So wie die Frauen reagieren, das ist Ostern! Ostern ist noch nicht wissen, was passiert ist. Ostern ist noch nicht sagen können, was passiert ist. Ostern ist noch trauern, Ostern ist Fliehen vor dem Grab.

Wenn Petrus und alle anderen Jünger am Grab gewesen wären und sie alle gesehen und bezeugt hätten, wie Jesus durch die Tür schwebt, das klänge für mich nicht überzeugend. Aber wenn Frauen, denen man damals eh nicht glaubte, als Zeugen gelten, dann ist das für mich glaubwürdig. Und es ist zugleich ein Zeichen, dass mit Ostern unsere Maßstäbe verrückt werden. Was immer galt, das gilt nicht mehr. Das Leben verlässt seine angestammten Bahnen.

Ich glaube den Frauen am Grab, denn die Frauen haben Angst, sie verstummen. Keine fröhlichen Hirten, die jubelnd und pfeifend durch die Gegend ziehen als wären sie betrunken. Frauen, die nichts sagen, denen erst nach und nach die Worte entlockt werden müssen, die sind glaubhaft für mich. Ein leises Rauschen, ein sanftes Säuseln, stockend formulierte Worte.

Stammeln von Gott erzählt mir mehr von der Auferstehung als ein selbstbewusster Fernsehpfarrer mit kraftvoller Stimme. Diese erste Auferstehungsbotschaft in unserer Bibel, die Erzählung im Markusevangelium Kapitel 16, ist dünn, ist schüchtern und zurückhaltend und genau darum glaubhaft.

Ostern heißt sich fürchten und langsam an den Sieg des Lebens über den Tod glauben. Geben wir den Frauen am Grab Zeit, aus dem Nebel der Trauer ins Sonnenlicht der Auferstehung zu treten. Und geben wir uns Zeit, das „Christ ist erstanden“ langsam mit dem Mund zu formen angesichts von Trauer, angesichts von Krieg und Leid auf unserer Erde. Aber dann lasst uns mit allen Christen gemeinsam verkünden und leben: Christ ist erstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!

Ihnen ein gesegnetes Osterfest,
Pfarrer Dr. Olaf Lewerenz

Johann Sebastian Bach
„Christ ist erstanden“ 
Choralbearbeitung (3 Verse) BWV 627
Prof. Martin Lücker an der Riegerorgel in St. Katharinen